Der letzte Eintrag auf meinem Blog ist zwei Monate her. Aber
wieso habe ich so lange nichts mehr von mir hören lassen?
Am 23. Juni bin ich wieder nach Hause geflogen und befinde
mich jetzt wieder in Deutschland. Die letzten Wochen waren trotz der anhaltend
schwülen Hitze sehr schön, denn ich habe nochmal viel unternommen, mich von
allen verabschiedet und das Leben genossen. Die High School St.Pauls hatte
leider bis zum Schluss Ferien, aber von meinen Schülern in Kalahrdaya habe ich
mich mit einer „Projektwoche“ verabschiedet. Da wir immer dienstags,
donnerstags und sonntags Unterricht hatten, habe ich an diesen Tagen der letzten
Unterrichtswoche Programm gehabt.
Am Dienstag konnte ich mit viel Aufwand einen Beamer
organisieren und mit meinen Schülern den Film „Mr. Bean‘s Holiday“ gucken, der
große Begeisterung ausgelöst hatte. Am Donnerstag wurde ich von Father Saju mit
einer Tanzveranstaltung überrascht, die nur für mich ausgerichtet wurde. Die
Mädchen hatten einen der vielen Tanzstücke für mich konzipiert und den ganzen
Aben wurde dann für mich getanzt, bevor ich mit Blumen und Geschenken entlassen
wurde. Den Abend habe ich dann mit meinen Schülern und ein paar Spielchen
ausklingen lassen.
Das große Programm war für den Sonntag geplant. Als ich den
beiden Fathers von meinem Vorhaben, alle 25 Schüler nach Kolkata und zum
Cricket Stadion Eden Gardens zu führen, sagten sie mir, ich müsste mir schon
100%ig sicher sein diese Verantwortung zu übernehmen. Ich sah allerdings kein
Problem darin und so stiegen wir, 27 Personen, am Sonntag in die sowieso schon
überfüllte Metro und sind nach Kolkata gefahren. Dort angekommen haben wir uns erst
einmal das Wahrzeichen Kalkuttas, das Viktoria Memorial angeschaut und uns dort
in den Garten gelegt. Nach einer recht chaotischen Restaurant Suche und einem
guten Essen zu dem ich alle eingeladen hatte, haben wir uns nach Eden Gardens auf
den Weg gemacht. Dort fand gerade ein Testspiel statt, bei dem man kostenlos
zuschauen konnte. Deshalb konnten wir in das Stadion und Live Cricket genießen.
Nach all der Verabschiedung von meinen Schülern habe ich die
letzten Tage genutzt um mich von meinen Freunden und von den Jesuiten zu
verabschieden. Ich hatte die Möglichkeit zu einer Veranstaltung im Noviziat
Dhayan Ashram zu gehen, in der die Novizen, mit denen ich oft und viel
Basketball gespielt habe, mit denen ich geschwommen und Fische gefangen habe, in
die Gemeinschaft der Jesuiten aufgenommen wurden. Sie wurden genau wie ich nach
Hause, in den Tagen danach in andere Gemeinden entsandt. Es war eine sehr
schöne Feier, in der ich mich von allen im Dhayan Ashram verabschieden konnte.
Als ich zum letzten Mal nach Raghabpur gefahren bin und die
Schule, immer noch während den Ferien, besucht habe, ist mir erst der Zeitraum
klar geworden, den ich in Indien gelebt habe. Man fühlt sich immer so, als wären
es nur ein paar Monate gewesen, doch man hat jedes Fest, jede Jahreszeit, jeden
Monat im Jahr er-/gelebt. Der Abschied von der Schule ist mir sehr schwer
gefallen. Ich wurde unheimlich schnell integriert und aufgenommen vom Lehrpersonal
und hatte viele Freiheiten, was die Unterrichtsgestaltung und was mein Wirken betrifft.
Ich habe noch mit Father Amulya, der ein sehr guter Freund und Mentor war, ein
paar meiner besten Schüler und deren Familien besucht, bevor ich den Abend in
der Kommunität verbracht habe. Für alle anwesenden Jesuiten habe ich dann
selbstgemachte Bandnudeln mit einer Tomaten-Auberginen Soße und Rindfleisch
gekocht, die sehr gut ankam.
Der Abschied von Father Saju war nicht so schwer wie der von
Father Thottam. Saju war oft auf Reisen, doch mit Father Thottam habe ich jeden
Tag viel Zeit verbracht. Er passte immer auf, dass mir nichts fehlte und jetzt
fehle ich ihm denke ich. Father Saju ist, wie auch in der Woche meines
Abschieds, oft unterwegs, weshalb ich ihn wahrscheinlich in Europa öfter wiedersehen
werde.
Das Packen war recht problematisch. Ich meine, wie kann man
erwarten das Hab und Gut aus einem Jahr auf 30 Kilo zu reduzieren. Nach
sechsmaligem Aus- und Einpacken hatte ich auf einmal nur noch wenig Zeit und
musste improvisieren. Ich stand deshalb bei 42 Grad mit T-Shirts in jeder
Hosentasche meiner kurzen Cargo-Hose und mit einer Weste, einem Pullover und
einer Regenjacke an vor Father Thottam. Nach einer schönen Verabschiedung, bei
der wir beide uns die eine oder andere Träne wegwischen mussten, begann der
lange Weg nach Hause. Trotzdem habe ich eigentlich nie gesagt: „Ich gehe jetzt
nach Hause“. Viel öfter meinte ich: „Ich verlasse dieses Zuhause“, den so hat
es sich angefühlt.
Am Flughafen mit dem Fahrer angekommen, bin ich mit dem
Online Check in zur Gepäckabgabe wo ich mit großem Entsetzen feststellen
musste, dass ich meine Aufenthaltsbescheiniung, die man für ein Arbeitervisum
braucht, nicht mitgenommen hatte. Mit all meinem Bengali und meinem unwiderstehlichen
Charme, den ich gegen die hübsche indische Sicherheitsfrau anwandte, wurde ich
schließlich in das Büro des Chefs der Ausreise-Abteilung geleitet und von zwei
nicht hübschen Indern im Kreuzverhör interviewt. Der Trick dabei ist wenn das
Ziel nach langem Erzählen (auf Englisch) in greifbare Nähe rückt, mit den
ersten Wörtern Bengali loszulegen. Dann leuchten die Augen und die Spannung
geht raus. Nach einem Tee und ein paar Keksen durfte ich mit allen T-Shirts,
die meine Hosentaschen ziemlich ausbeulten aber unbemerkt blieben, und immer noch
in vier Lagen Kleidung gehüllt, den Security Check passieren und all die
überflüssigen Klamotten in den Rucksack stecken.
Der Flug an sich war sehr angenehm doch irgendwie surreal.
Als ich in Berlin meine Eltern und meinen besten Kumpel in der wartenden Menge
ausmachte, wurde meine Wahrnehmung wacher und ich war doch froh wieder zurück
zu sein. Der Kulturschock, wie diese schlagartige Veränderung der Umstände doch
genannt wird, war recht heftig. Die schrägstehende Sonne irritierte mich
genauso wie der Verkehr, die Lautstärke der Stadt, die Kommentare zu zu viel
Körperkontakt meinerseits, der in Indien eigentlich gewünscht wird. Das Essen
war natürlich erstmal „langweilig“, mein Deutsch war natürlich erstmal stockend
und natürlich wunderte ich mich unbewusst über fast alles was anders war. Ich
habe in der Küche schon ein paarmal nach einem Schalter für einen Ventilator
gesucht, den man wohl in Kolkata gebraucht hätte. Auch gerade dieser Satz: „In
Indien war es aber so und so“ muss meine Eltern und Freunde wohl sehr gestört
haben. Ein paar Tage nach meiner Ankunft bin ich mit einer guten Freundin von
mir abends ausgegangen und mir wurde am Ende des Abends klar, dass das die
längste Konversation gewesen sein musste, die ich in den letzten Monaten mit
einem Mädchen meines Alters geführt hatte. Und auch das fühlte sich befremdlich
an.
Natürlich versuche ich auch vieles beizubehalten. Ich koche
täglich und nicht selten indisch. Wobei meine indischen Currys wegen der
Schärfe von meiner Familie mit äußerster Vorsicht genossen wurde.
Es gibt vieles was mich wundert und stört, und oft habe ich
Fernweh, doch ich freue mich auch wieder hier zu sein. Ich habe vor ein Buch
über das ganze Jahr zu schreiben. Wer weiß, ob ich das durchziehen werde.
Zum Schluss kann ich nur jedem empfehlen mal aus Europa
rauszukommen. Es muss nicht Indien sein, aber wichtig ist, dass man sich möglichst
lange in einer wohnlichen Umgebung aufhält. Man lernt so viel und man kann am
Ende so viel erzählen, dass man Bücher damit füllen könnte. Für mich war das
weltwärts Programm und die Leitung durch Jesuit Volunteers perfekt, aber es
gibt so viele andere Möglichkeiten in einem Entwicklungsland leben zu lernen,
die sich lohnen. Es mag ja zuerst gruselig klingen, doch sobald man dort ist
und ganz besonders, wenn man wieder zurück ist, ist man tief beeindruckt von
der Welt und den Kulturen. Weltoffen…
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