Mittwoch, 27. Juli 2016

Zum Abschluss

Hallo liebe Leser meines Bloggs.

Der letzte Bericht ist geschrieben. So schnell kanns gehen.
Danke für das große Interesse, welches mir entgegengebracht wurde. Vor ein paar Tagen hat dieser Blog die 3000 Aufrufe erreicht, was mich sehr stolz macht.
Ich werde jetzt die letzten Fotos auf meinem Flickr Account, der in der Randspalte verlinkt ist hochladen. Das gesammelte Spendengeld wird nach einer Sitzung mit Father Saju, dem Jesuit Volunteers Team und mir nach eigenem Ermessen verwendet. Ich entscheide wo das Geld hingeht und wo 100% des Geldes hingehen und ich werde euch natürlich darüber informieren.

Mitte August werde ich meinen Studienort wissen und am 1. Oktober mit meinem Studium beginnen.
Life goes on. Trotzdem möchte ich nächsten Sommer mit meinem Bruder nach Kolkata zurückkehren und auch einen Abstecher in den Himalaya unternehmen ;)

Nochmals vielen Dank!
Ihr lest von mir,

Euer Alex

Abschied von Zuhause



Der letzte Eintrag auf meinem Blog ist zwei Monate her. Aber wieso habe ich so lange nichts mehr von mir hören lassen?
Am 23. Juni bin ich wieder nach Hause geflogen und befinde mich jetzt wieder in Deutschland. Die letzten Wochen waren trotz der anhaltend schwülen Hitze sehr schön, denn ich habe nochmal viel unternommen, mich von allen verabschiedet und das Leben genossen. Die High School St.Pauls hatte leider bis zum Schluss Ferien, aber von meinen Schülern in Kalahrdaya habe ich mich mit einer „Projektwoche“ verabschiedet. Da wir immer dienstags, donnerstags und sonntags Unterricht hatten, habe ich an diesen Tagen der letzten Unterrichtswoche Programm gehabt.
Am Dienstag konnte ich mit viel Aufwand einen Beamer organisieren und mit meinen Schülern den Film „Mr. Bean‘s Holiday“ gucken, der große Begeisterung ausgelöst hatte. Am Donnerstag wurde ich von Father Saju mit einer Tanzveranstaltung überrascht, die nur für mich ausgerichtet wurde. Die Mädchen hatten einen der vielen Tanzstücke für mich konzipiert und den ganzen Aben wurde dann für mich getanzt, bevor ich mit Blumen und Geschenken entlassen wurde. Den Abend habe ich dann mit meinen Schülern und ein paar Spielchen ausklingen lassen.
Das große Programm war für den Sonntag geplant. Als ich den beiden Fathers von meinem Vorhaben, alle 25 Schüler nach Kolkata und zum Cricket Stadion Eden Gardens zu führen, sagten sie mir, ich müsste mir schon 100%ig sicher sein diese Verantwortung zu übernehmen. Ich sah allerdings kein Problem darin und so stiegen wir, 27 Personen, am Sonntag in die sowieso schon überfüllte Metro und sind nach Kolkata gefahren. Dort angekommen haben wir uns erst einmal das Wahrzeichen Kalkuttas, das Viktoria Memorial angeschaut und uns dort in den Garten gelegt. Nach einer recht chaotischen Restaurant Suche und einem guten Essen zu dem ich alle eingeladen hatte, haben wir uns nach Eden Gardens auf den Weg gemacht. Dort fand gerade ein Testspiel statt, bei dem man kostenlos zuschauen konnte. Deshalb konnten wir in das Stadion und Live Cricket genießen.
Nach all der Verabschiedung von meinen Schülern habe ich die letzten Tage genutzt um mich von meinen Freunden und von den Jesuiten zu verabschieden. Ich hatte die Möglichkeit zu einer Veranstaltung im Noviziat Dhayan Ashram zu gehen, in der die Novizen, mit denen ich oft und viel Basketball gespielt habe, mit denen ich geschwommen und Fische gefangen habe, in die Gemeinschaft der Jesuiten aufgenommen wurden. Sie wurden genau wie ich nach Hause, in den Tagen danach in andere Gemeinden entsandt. Es war eine sehr schöne Feier, in der ich mich von allen im Dhayan Ashram verabschieden konnte.
Als ich zum letzten Mal nach Raghabpur gefahren bin und die Schule, immer noch während den Ferien, besucht habe, ist mir erst der Zeitraum klar geworden, den ich in Indien gelebt habe. Man fühlt sich immer so, als wären es nur ein paar Monate gewesen, doch man hat jedes Fest, jede Jahreszeit, jeden Monat im Jahr er-/gelebt. Der Abschied von der Schule ist mir sehr schwer gefallen. Ich wurde unheimlich schnell integriert und aufgenommen vom Lehrpersonal und hatte viele Freiheiten, was die Unterrichtsgestaltung und was mein Wirken betrifft. Ich habe noch mit Father Amulya, der ein sehr guter Freund und Mentor war, ein paar meiner besten Schüler und deren Familien besucht, bevor ich den Abend in der Kommunität verbracht habe. Für alle anwesenden Jesuiten habe ich dann selbstgemachte Bandnudeln mit einer Tomaten-Auberginen Soße und Rindfleisch gekocht, die sehr gut ankam.
Der Abschied von Father Saju war nicht so schwer wie der von Father Thottam. Saju war oft auf Reisen, doch mit Father Thottam habe ich jeden Tag viel Zeit verbracht. Er passte immer auf, dass mir nichts fehlte und jetzt fehle ich ihm denke ich. Father Saju ist, wie auch in der Woche meines Abschieds, oft unterwegs, weshalb ich ihn wahrscheinlich in Europa öfter wiedersehen werde.
Das Packen war recht problematisch. Ich meine, wie kann man erwarten das Hab und Gut aus einem Jahr auf 30 Kilo zu reduzieren. Nach sechsmaligem Aus- und Einpacken hatte ich auf einmal nur noch wenig Zeit und musste improvisieren. Ich stand deshalb bei 42 Grad mit T-Shirts in jeder Hosentasche meiner kurzen Cargo-Hose und mit einer Weste, einem Pullover und einer Regenjacke an vor Father Thottam. Nach einer schönen Verabschiedung, bei der wir beide uns die eine oder andere Träne wegwischen mussten, begann der lange Weg nach Hause. Trotzdem habe ich eigentlich nie gesagt: „Ich gehe jetzt nach Hause“. Viel öfter meinte ich: „Ich verlasse dieses Zuhause“, den so hat es sich angefühlt.
Am Flughafen mit dem Fahrer angekommen, bin ich mit dem Online Check in zur Gepäckabgabe wo ich mit großem Entsetzen feststellen musste, dass ich meine Aufenthaltsbescheiniung, die man für ein Arbeitervisum braucht, nicht mitgenommen hatte. Mit all meinem Bengali und meinem unwiderstehlichen Charme, den ich gegen die hübsche indische Sicherheitsfrau anwandte, wurde ich schließlich in das Büro des Chefs der Ausreise-Abteilung geleitet und von zwei nicht hübschen Indern im Kreuzverhör interviewt. Der Trick dabei ist wenn das Ziel nach langem Erzählen (auf Englisch) in greifbare Nähe rückt, mit den ersten Wörtern Bengali loszulegen. Dann leuchten die Augen und die Spannung geht raus. Nach einem Tee und ein paar Keksen durfte ich mit allen T-Shirts, die meine Hosentaschen ziemlich ausbeulten aber unbemerkt blieben, und immer noch in vier Lagen Kleidung gehüllt, den Security Check passieren und all die überflüssigen Klamotten in den Rucksack stecken.
Der Flug an sich war sehr angenehm doch irgendwie surreal. Als ich in Berlin meine Eltern und meinen besten Kumpel in der wartenden Menge ausmachte, wurde meine Wahrnehmung wacher und ich war doch froh wieder zurück zu sein. Der Kulturschock, wie diese schlagartige Veränderung der Umstände doch genannt wird, war recht heftig. Die schrägstehende Sonne irritierte mich genauso wie der Verkehr, die Lautstärke der Stadt, die Kommentare zu zu viel Körperkontakt meinerseits, der in Indien eigentlich gewünscht wird. Das Essen war natürlich erstmal „langweilig“, mein Deutsch war natürlich erstmal stockend und natürlich wunderte ich mich unbewusst über fast alles was anders war. Ich habe in der Küche schon ein paarmal nach einem Schalter für einen Ventilator gesucht, den man wohl in Kolkata gebraucht hätte. Auch gerade dieser Satz: „In Indien war es aber so und so“ muss meine Eltern und Freunde wohl sehr gestört haben. Ein paar Tage nach meiner Ankunft bin ich mit einer guten Freundin von mir abends ausgegangen und mir wurde am Ende des Abends klar, dass das die längste Konversation gewesen sein musste, die ich in den letzten Monaten mit einem Mädchen meines Alters geführt hatte. Und auch das fühlte sich befremdlich an.
Natürlich versuche ich auch vieles beizubehalten. Ich koche täglich und nicht selten indisch. Wobei meine indischen Currys wegen der Schärfe von meiner Familie mit äußerster Vorsicht genossen wurde.
Es gibt vieles was mich wundert und stört, und oft habe ich Fernweh, doch ich freue mich auch wieder hier zu sein. Ich habe vor ein Buch über das ganze Jahr zu schreiben. Wer weiß, ob ich das durchziehen werde.  
Zum Schluss kann ich nur jedem empfehlen mal aus Europa rauszukommen. Es muss nicht Indien sein, aber wichtig ist, dass man sich möglichst lange in einer wohnlichen Umgebung aufhält. Man lernt so viel und man kann am Ende so viel erzählen, dass man Bücher damit füllen könnte. Für mich war das weltwärts Programm und die Leitung durch Jesuit Volunteers perfekt, aber es gibt so viele andere Möglichkeiten in einem Entwicklungsland leben zu lernen, die sich lohnen. Es mag ja zuerst gruselig klingen, doch sobald man dort ist und ganz besonders, wenn man wieder zurück ist, ist man tief beeindruckt von der Welt und den Kulturen. Weltoffen…