Sonntag, 3. Januar 2016

Mein Dezember, wenig weihnachtlich



Unsern zweiten Advent verbrachten wir also mit unserem Festprogramm, wohingegen der dritte Advent auf ganz stille Art und Weise praktische vergessen wurde. In der dritten Adventswoche verlieβ uns Father Thottam, der für einen Monat seine Familie in Kerala besucht. Langsam kam auch die erste Weihnachtsstimmung auf. Nachdem unsere Mashi (Ma (Mutter) + Sister), unsere Haushälterin, tagelang Rosinen, harte Süβkirschen und kandierte Stücke eines weiβen Kürbisses in der Sonne getrocknet hatte, brachte sie verschiedene weitere Zutaten zu einer Bäckerei und am nächsten Tag standen plötzlich an die 80 duftende Küchlein auf dem Tisch. Dieser Christmas Cake wird im Laufe der Feiertage an Besucher, Familien, Einrichtungen, Kinder verschenkt, sodass an Weihnachten, jeder eine bunte Auswahl Nuss und Fruchtkuchen zu Hause hat.
In dieser Woche kam Brother Emmanuel aus Delhi Besuch. Er blieb zwei Wochen um sich auf seinen Master im Tanz Bharatanatyam vorzubereiten.
Wie ihr vermutlich schon bemerkt habt , war meine Adventszeit nicht wirklich weihnachtlich. Das mag daran liegen, dass das Christentum eine Minderheitreligion ist. Erst nach dem vierten Advent begann jede Einrichtung ihr Weihnachtsfest vorzubereiten. Das Weihnachtsfest in Kalahrdaya fand drei Tage vor Heilig Abend statt und war mehr eine Tanzveranstaltung für Eltern und Englischschüler. Da ich dieses Programm schon gesehen hatte, kümmerte ich mich um die Verkostung aller. Aus dem selben Grund bin ich auch nicht bei zwei weiteren Auswärtsauftritten erschienen um alle Gäβte, die ihren Weihnachtskuchen nach Kalahrdaya brachten, fachgerecht mit Cha und Bishkit (Beng. für Kekse) und meinen guten Bengalikenntnissen zu versorgen.
Am Abend des 23. waren wir zum Weihnachtsfest des Dhyan Ashrams eingeladen. Nur zur Erinnerung: Dhyan Ashram ist das Jesuiten Noviziat für West Bengalen und nach der Ashrambewegung aufgebaut. Naben zwei groβen vierstöckigen Gebäuden für Fathers und Brothers gibt es ein weiteres Haus für Gäβte, die hier Seminare, Exerzitien, o.ä. machen. Der Ashram ist ein wunderschöner Oasen-ähnlicher Ort mit acht groβen Ponds (Fischteichen) und einer Menge Grün.
Die “Juniors”, eine Vorstufe der Novizen, waren für die Abendgestaltung zuständig. Es wurden ein Bruder der Missionare der Nächstenliebe (Orden der hl. Mutter Theresa (Heiligsprechung Dez. 2015)), wir von Kalahrdaya und an die 150 Schwestern verschiedener Kongregationen eingeladen. Nach Tee und Gebäck stand das Hauptprogramm an. Die Juniors führten das Musical “Die Schöne und das Biest” auf. Die Schwestern und wir haben Tränen gelacht, vor allem, weil die weiblichen Charaktere grandiose gespielt wurden und das Musical an sich sehr komisch aufgebaut war. Nun folgten auch Musik, Tanz und zwei Groβgruppenspielchen.
Von allen Schwestern und den Brothers wurde der Gesang dann nach drauβen in die dunkle Nacht getragen. Auf dem Hof vor einem der Gebäude standen vier Lagerfeuer um die in Volkstümlicher Art getanzt wurde. Dabei fast man sich an den Händen und geht in einer bestimmten Schrittfolge, die immer von einer der Schwestern vorgegeben wurde, und bewegt sich langsam im Kreis um das Feuer.
Der Speiβesaal bot zum Dinner nicht genügend Platz, weswegen wir (Juniors, Novizen und ich) vorm Eingang standen und einen Christmas Carol (Weihnachtslied) nach dem anderen geschmettert haben. Das war für mich der einzige Abend mit richtiger Weihnachtsstimmung. Denn bis zum 24 war sonst noch nichts von Weihnachten zu spüren. Am heiligen Abend war es dann auch nach einem langen Gottesdienst gut. Keine Geschenke, keine Lieder, kein besonderes Essen. Am ersten Weihnachtsfeiertag ging alles wie immer seiner Wege. Lastwagen kamen mit Schlamm und Geröllschutt beladen nach Kalahrdaya. Father Saju war in Kolkata unterwegs, ich koordinierte die Lastwagen. Am Abend machten wir uns gemeinsam auf zur St. Pauls High auf deren Gelände ein Riesenrad (muskelbetrieben), eine kleine Eisenbahn und Unmengen von kleinen Buden aufgebaut wurde. Es war so voll, dass man sich nicht selbstständig bewegen konnte. Doch konnte man Bekannte treffen und Menschen beobachten oder in meinem Fall beobachtet warden. Für diesen Weihnachtsmarkt ist Ragaphur [Ragupur] bekannt und es kommen Hindus von überall her. Auch die Kirche war voller Hindus, die aus dem Umland kamen.
Währrend in meiner Umgebung Weihnachten eher wenig gefeiert wurde, war die gesamte Park Street (vgl. den Berliner Ku’damm) in Kolkata mit Lichtern zugehängt, obwohl bei Hindufesten gar keine Anzeichen davon in der Innenstadt zu sehen sind.
Ähnlich wie mit Weihnachten verhielt es sich auch mit Silvester. Am letzten Abend des Jahres war ich allein in Kalahrdaya. Brother Emmanuel war wieder nach Delhi gefahren, Father Saju in Kolkata um eine Mitternachts- und Morgenmesse an verschiedenen Orten zu feiern. Ich bin mit meinem Fahrrad durch Bakeswar zur Zehn-Uhr-Messe gefahren. Alles schlief, keiner wach. Das Kirchentor verschlossen, kein Licht im Kommunitätsgebäude. Von einem alten Mann erfuhr ich, dass die Messe dieses Mal um Sechs Uhr gewesen sei und fuhr wieder zurück nach Kalahrdaya, legte mich ins Bett, skypte mit Freunden ins neue Jahr und schlief um Ein Uhr ein.
Ich hatte mir vom Dezember mehr erhofft, aber man muss sich auch immer im Klaren sein, dass das Christentum die klare Minderheit darstellt und die westliche Kultur nach über 35 Jahren Marxismus in West Bengalen nur ganz langsam ankommt und selten zu erwarten ist. So war Weihnachten wie ein kleines Puja. Anstatt eines Pandals eine Krippe und schon ist die Inkulturation des christlichen Fests gescheite... äh geschehen, meine ich.