Ja, ich möchte die Routine im Alltag auch auf
die doch so große Informationsflut anwenden und jeden Monat einen Blogeintrag
ins Netz stellen.
Nachdem ich die vielen Eindrücke in den ersten
Wochen nur oberflächlich war nehmen und in Worte fassen konnte, hat sich in der
letzten Zeit Routine eingestellt. Jeden Montagmorgen haben wir wie jeden Tag,
um 6:30 Uhr eine kleine Morgenmesse. Dann fahre ich mit dem Fahrrad zur Schule
gebe meine specialclass in Spoken English, die dank der guten Schüler ganz
hervorragend läuft. Darauf fahre ich wieder nach Hause um mich vor und nach dem
Lunch auf meinen Nachmittag im Dayan Ashram vorzubereiten. Um Ein Uhr besteige
ich dann in der Mittagshitze meinen Drahtesel und mache mich auf den langen Weg
durch die Dörfer und Felder bis zum Highway, der mich zur Jesuitenschmiede von
West Bengalen führt.
Nach 45 Minuten als Englischlehrer und 45
Minuten als Bengali Schüler, spielen wir bis zur totalen Erschöpfung
Basketball, arbeiten eine Stunde im Garten und gehen nach einer kurzen Tee
Pause im großen Fischteich schwimmen. So fällt mir der Heimweg auf dem viel zu
kleinen Fahrrad meist schwer.Doch hindert mich dies nicht daran die
unvergleichliche Vielfalt und Schönheit des ländlichen Indiens wahrzunehmen.
Die Frauen, die, unabhängig vom Alter und jeglicher Armut, in farbenfrohen
Saris und ruhiger, erhabener Würde ihrer Wege gehen und den Blick
pflichtbewusst vom Weißen abwenden, wenn er das geschäftige Treiben beobachtet.
Dann natürlich die Natur, die die Sumpflandschaft zum Subtropischen Urwald
macht und für uns Europäer exotisch schön ist. Und nicht zuletzt das ständige
Bedürfnis nach Verschönerung (so ist zum Beispiel jeder Lastwagen in vielen
Farben mit Bildern und Symbolen verziert). Doch das was am meisten beeindruckt,
ist das Gesamtbild. Eigentlich sieht alles so aus, als wäre es alles einmal
sehr schön gewesen, aber das macht eben den Charme von Indien aus.
Der Rest der Woche unterrichte ich
normalerweise von 9:30 Uhr bis um halb zwei und habe nachmittags entweder
Englisch-, oder Bengali Unterricht.
Am 04. September haben wir in der Schule den
Teachers Day gefeiert. An diesem Tag wurden wir in die Aula geführt um für uns
moderne und traditionelle Tänze aufzuführen, Gedichte vorzulesen, zu singen und
um uns Geschenke zu machen. So hat jeder Lehrer einen Regenschirm, einen
Rotstift und ein großzügiges Essenspacket bekommen.
In dieser Woche habe ich allerdings nur meine
geliebte specialclass unterrichten können, von der zum Teachers Day ich ein
extra Geschenk bekommen habe.
Denn ich wurde von Fabian
(zwoelfmonateindisch.blogspot.de) und Antonia (antonia-in-indien.jimdo.com) auf
die Registrierung hingewiesen, die ich vor vier Wochen hätte machen sollen. Aus
dem Grund der Verspätung musste ich nun den latefee von 30$, also 1800 Rupien
bezahlen. Da FatherThottem mit einer Erkältung im Bett lag, bin ich also zum
ersten Mal alleine in die Stadt gefahren…
Mein Auftrag war das Geld bei der RBI, der
Reserval Bank ofIndia zu zahlen und eine Kopie des Formulars T7 zu erhalten.
Ich bin also mit, wie ich finde souveränen Tuktuk und Metro Fahrten in das
große Bankenviertel von Kolkata gefahren. Nachdem ich die richtige Bank
gefunden habe und das Formular T7 ausgefüllt habe scheiterte mein Vorhaben
vorerst, weil es ja sonst zu einfach gewesen wäre. Man nahm das Geld nicht an,
weil angeblich eine Unterschrift vom „Writer’s Building“, einem ähnlich großen
Haus gegenüber auf dem Formular fehlte.
Nach zahlreichen Besuchen zahlreicher Büros im
Writer’s Building, wurde ich an die Finanzabteilung des Hauses verwiesen,
welche sich in der Lyons Range 4 befand. Nach einer langen Fragerei nach der
Lions street 4, (zu meiner Verteidigung, im Writer’s Building konnte keiner
Englisch und mein Bengali ist noch nicht so gut. Denkt mal an das
Beamten-Deutsch) habe ich die Finanzabteilung dann doch gefunden. Dort konnte
keiner Englisch, weswegen ich zum Payment andAssesment Office II geschickt
wurde, welches ich nach einem langen Marsch durch das Muslimische Viertel
erreicht habe. Die Beamten dort versicherten mir, dass ich die besagte
Unterschrift nur bei ganz wenigen Formularen und eben nicht meinem benötige und
nach langem Betteln bekam ich wenigstens eine Telefonnummer als Beweis.
Ich also wieder zur RBI, diesmal mit dem Taxi,
und wieder wurde das Formular abgelehnt. Dann habe ich die Telefonnummer auf
den Tresen geknallt und sagte nur „rufen sie dort an“. Plötzlich war ich
hinterm Tresen, mit einem Dutzend Beamten um mich herum, die alle mit vollem
Mund diskutierten. Ich hatte währenddessen mit dem Becher Cha, den man mir
angeboten hatte Platz genommen.
Letztendlich durfte ich dann doch (man beachte
den Sarkasmus), Gott sei Dank, die 1800 Rupien zahlen und eine Kopie des
Formulars behalten. Nach drei weiteren Versuchen die Registrierung bei der
zuständigen Polizeiwache abzugeben, habe ich es endlich geschafft.
Allerdings war ich aus einem einfachen Grund
nie bei meinen Nachmittagen in Kolkata schlecht gelaunt. Ich liebe diese Stadt.
Kolkata ist bestimmt zwei bis drei Grad wärmer
als die Umgebung der Stadt, wodurch man durchgehend schweißgebadet ist. Und man
lernt diesen Zustand lieben. Diese Feuchte Hitze ist der Grund für den
unverwechselbaren Geruch nach Meer, Tieren, dem ständigen Lebenswillen von
Mensch und Natur. Nach muffigen, alten, verrosteten Maschinen, Müll, Tempeln,
Basaren, und nach Tee Shops. In einem guten Buch ist ein ähnlicher Geruch als "der übelste Wohlgeruch der Welt" bezeichnet worden und ich finde, dass passt ganz wunderbar.
Mit der Luft und dem Geruch atmet man
gleichzeitig Wasser, Abgase und Staub. Um sich darüber zu beschweren würde
niemandem einfallen, denn der wilde Tanz von Bussen, Lastwagen, den
Ambassadors, Motorrikschas und Motorrädern hat kein Ende und ist unglaublich
aufregend, wenn man daran teilnimmt. Es kommt selten vor, dass man ein Vehikel
zu Gesicht bekommt, das dem deutschen TÜV die Stirn bieten könnte und das
stimmt mit dem Zustand der meisten Gebäude überein. Auch hier hat bestimmt
alles mal für eine Woche frisch ausgesehen. Doch das hätte aber dem Image und
dem Charme dieser ehemaligen Piratenstadt geschadet.
Wer mich kennt, der weiß, ich liebe das geordnete Chaos. Betrachtet man Kolkata objektiv, sieht man nur pures Chaos, nimmt man aber am Chaos teil, dann wird eine Ordnung erkennbar. Ich liebe diese Stadt.
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